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Quasi-Bild / Foto: Dóra Maurer

1983
DÓRA MAURER
Quasi-Bild


Farb-Raumgestaltung
Wand-, Boden- und Deckenbemalung mit Acrylfarbe
Raummaße: 400 x 320 x 370 cm
Entwurf 1982, Installation 1982/1983
Raum: Bergfried, 1. Stock


DÓRA MAURER hat vor fast 40 Jahren durch ihre künstlerische Initiative ein Projekt in Gang gesetzt, dessen Aktualität und Wirkung bis heute ungebrochen sind: Mit ihrem 1982 geäußerten Wunsch, im weitgehend verwahrlosten und fast gänzlich leer stehenden Schloss Buchberg am Kamp einen Raum nach ihrem Konzept der „Verschiebungen“ auszumalen, gab sie den entscheidenden Impuls für einen Prozess, in dessen Verlauf die große, aus dem Mittelalter und Frühbarock stammende Anlage mit einer Sammlung von über 30 permanenten Rauminstallationen ausgestattet wurde. [...] Nachdem sie die Idee geboren hatte und die Möglichkeit der Konkretisierung Wirklichkeit wurde, unternahm DÓRA MAURER ein Experiment: Im Rahmen einer vom Verein Exakte Tendenzen 1982 in der Wiener Modern Art Galerie organisierten Gruppenausstellung schuf sie aus bemaltem Packpapier ein – aus den Gegebenheiten des Galerieraums entwickeltes – dreidimensionales Quasi-Bild. Der Versuch war überzeugend: Noch im November begann sie mit der Buchberger Raumbemalung, die 1983 in Verbindung mit einer kleinen Ausstellung ihrer Arbeiten in den dafür provisorisch hergerichteten Räumen des Schlosses eröffnet wurde.


DÓRA MAURER wählte für ihr Projekt einen mit einem Kreuzgratgewölbe überwölbten Raum. Hier konnte sie ihre Idee vom Hineinstellen des Betrachters in ein Kunstwerk erstmals konsequent verwirklichen. Die Wirkung des Eingehülltseins in einen Farbraum, das Spannungsverhältnis zwischen präzisen Formen und vielfältigen, kaum gänzlich erfassbaren optischen und emotionalen Eindrücken, sowie der Kontrast zwischen einer über die Jahrhunderte gewachsenen Umgebung und dem zeitgenössischen Kunstwerk, kann nur an Ort und Stelle erlebt und ausgekostet werden. Die Idee, einen ganzen Raum mit allen seinen Begrenzungsflächen als Quasi-Bild aufzufassen, verfolgte DÓRA MAURER bereits seit 1977. Ihr Anliegen war nicht die Gestaltung eines Lebensraums, der dem Wohlbefinden des Menschen dienen sollte, sondern die Schaffung eines Erlebnisraums, der durch seine aggressive, rational kaum ergründbare Wirkung den Betrachter packen sollte.


Durch ihre künstlerische Intervention hat DÓRA MAURER sowohl den vorhandenen Raum als auch das in den vorausgehenden Jahren entwickelte Form- und Farbsystem ihrer Displacement-Serie „dekonstruiert“. Dies geschah durch Überlagerung der in die Flächen geklappten Raumbegrenzungen − Boden, Wände und vierteiliges Gewölbe − durch eine systematisch aufgebaute Linienstruktur aus in zwei Schichten angeordneten kalten und warmen Farben. Die Form dieses „Schnittmusters“ bestimmte den unregelmäßigen Ausschnitt aus der regelmäßigen Ausgangsform. Das an sich geordnete Liniensystem überlagert die einfache, aber formal uneinheitliche Raumstruktur scheinbar wahllos. Legt man zwei Strukturen übereinander, können sich diese zu einer Metastruktur ergänzen, oder − und dies ist in Buchberg der Fall − wechselseitig unterwandern und verzerren. [...]


DÓRA MAURER hat während und nach der Fertigstellung der Buchberger Raumbemalung einen Film produziert. Im ersten Teil dokumentiert sie die mehrere Wochen dauernde Arbeit im eisig kalten Bergfried. Im zweiten Teil bringt sie die als dauerhafte Installation gedachte Malerei vollständig zum Verschwinden, indem sie den Raum mit filmischen Mitteln in seinen geweißten Ausgangszustand zurückversetzt und damit das Werk auslöscht. Durch dieses kurzfristige Zusammentreffen zweier fremder Strukturen verweist sie auf die Labilität dekonstruktivistischer Systemüberlagerungen, die nur als visuelle Erscheinung, nicht aber als reales Phänomen existieren. Diese Differenz zwischen materiellem Tatbestand − hier den zwei unabhängigen Ordnungen − und optischer Wirkung gehört zu den Wesensmerkmalen der in der Folge entwickelten Bildkonzepte von DÓRA MAURER. Bei den in den 1980er- und 1990er-Jahren entstandenen, quasi-perspektivischen Bildern tauchen Erinnerungen an Einblicke in das Kreuzgewölbe der Arbeit von 1982/83 auf. Am Beginn steht eine bald nach Fertigstellung des Raums produzierte Siebdruckmappe, für die die Künstlerin Ausschnitte aus der Raumbemalung zusammengestellt hat, die als Vorstufe für eine Reihe späterer Bildproduktionen gelten können.


(Auszug aus dem Text von DIETER BOGNER in DÓRA MAURER. SNAP-SHOTS, Museum Ritter Waldenbuch, Hg., Heidelberg 2014)


Erstpräsentation im Rahmen der Ausstellung Raumkonzepte Schloß Buchberg am Kamp, 26. Juni bis 31. August 1983


www.doramaurer.com

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