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Eröffnung Star of David

1996
DAN GRAHAM
Star of David

Glaspavillon
Rostfreier Stahl, 50%ig verspiegeltes Glas, Beton, Wasser, Gitterrost
Seitenlänge: 420 cm, Höhe: 240 cm
Planung und Ausführung: Fritsch-Stiassny-Glastechnik, Stahlbau August Filzhammer
Entwurf 1988, Ausführung 1995/96
Ort: Ehemaliger Ziergarten

DAN GRAHAMs Pavillon-Projekt „Star of David“ war die erste künstlerische Arbeit, die für den Außenraum des Schlosses Buchberg konzipiert wurde und ist auch die erste Arbeit, die ein Besucher wahrnimmt, wenn er sich dem Schloss über die zum Eingang führende Brücke nähert. GRAHAM wählte als Standort eine durch Mauern und Felswände begrenzte Rasenfläche seitlich unterhalb der Brücke, wo ehemals ein Ziergarten und noch früher der Wassergraben des Schlosses gelegen waren. Ohne die Vorgeschichte zu kennen, setzte er den Pavillon exakt an jene Stelle, an der sich bis in die 1960er Jahre die aus Pflanzen geformten Initialen eines früheren Schlossbesitzers befunden hatten. Der „Star of David“ selbst fügt sich aus zwei übereinandergesetzten gleichseitigen Dreiecken zusammen, von denen eines ein in den Boden eingelassenes Wasserbecken und das andere ein 2,40 Meter hoher, nach oben geschlossener Pavillon aus fünfundzwanzigprozentig verspiegeltem Glas ist. [...] Eine kaum sichtbare Tür an einer der Dreieckspitzen führt ins Innere des Pavillons: Der zentrale sechseckige Bereich, unter dem das Wasserbecken verläuft, ist mit einem Stahlgitter bedeckt und kann vom Besucher betreten werden; ebenso begehbar sind die „Spitzen“, die innen nicht mit Wasser gefüllt, sondern mit einem Steinboden ausgelegt sind. Die erste Entwurfskizze für den Pavillon stammt aus dem Jahr 1988. Im darauffolgenden Jahr entstand ein Architekturmodell im Maßstab 1:6, das GRAHAMs Vorstellungen räumlich veranschaulicht und bis zur endgültigen Realisierung des Projektes im Jahr 1996 auf Schloss Buchberg präsentiert wurde. [...]


Die ersten Pavillon-Projekte DAN GRAHAMs – vom Künstler selbst als „provisorische Außenräume in arkadischer Tradition“ bezeichnet – entstanden in den späten 1970er/frühen 1980er Jahren und verbinden die zuvor in Performances, Filmen und Videos angestellten Untersuchungen zu psychologischen und soziologischen Aspekten der Wahrnehmung mit architekturhistorischen Fragestellungen. Referenzen finden sich zum einen in der Gartenbaukunst des Barock, in der der Pavillon als vermittelndes Element zwischen Innen und Außen, zwischen Architektur und Natur eine zentrale Funktion einnahm. Zum anderen bieten das von dem Architekturtheoretiker Marc-Antoine Laugier Mitte des 18. Jahrhunderts postulierte Konzept der „Urhütte“ sowie die Glashauskonstruktionen des 19. Jahrhunderts mögliche Bezugspunkte. In Materialwahl und Formensprache wiederum schlägt GRAHAM eine Brücke zu urbanistischen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts, in dessen Anfängen Glasarchitektur ob ihres Versprechens von Funktionalismus und Transparenz eine fast utopische Sinnaufladung erfuhr. Der zunehmende Einsatz von Einwegspiegelglas in den 1980er Jahren jedoch, das einerseits den Blick nach außen ermöglicht, während es das Innere vor Einblick schützt und andererseits durch den Spiegeleffekt ganze Gebäude in ihrer Umgebung „verschwinden“ lässt, unterminierte die Idee der Offenheit: Gläserne Bürobauten wurden zu einem Sinnbild für die Undurchsichtigkeit global agierender Wirtschaftsunternehmen sowie das Diffuswerden der Grenzen zwischen privat und öffentlich.


Wenn DAN GRAHAM sich auch der Rhetorik moderner Büro- und Stadtarchitektur bedient, so erfährt diese durch den Rückgriff auf die Tradition des Gartenpavillons doch eine Umwertung.

Die Dimensionierung seiner Arbeiten sowie ihre – unbestimmte – Benutzbarkeit sprechen von einem Mensch-Architektur-Verhältnis, das sich von dem urbaner Settings grundsätzlich unterscheidet. In ihren Proportionen eindeutig am menschlichen Körper ausgerichtet, sind die Pavillons je nach Wetterlage und individuellem Begehren potenziell Unterschlupf, Treffpunkt, Spielplatz, Fotomotiv usw. Anders als herkömmliche Bauwerke, die einem bestimmten Zweck gewidmet sind, fungieren die Pavillons dementsprechend als eine Art Katalysator: Ihre Funktion besteht wesentlich darin, Beziehungen herzustellen – im Hinblick auf ihre Umgebung und die Menschen, die sie nutzen. [...] Die Bedeutung des Rezeptionsprozesses, die einfache geometrische Formensprache sowie die Verwendung industriell gefertigter Materialien lassen an Werke der Minimal Art denken. GRAHAMs Fokus beschränkt sich jedoch nicht auf das Verhältnis zwischen Betrachter und Objekt, sondern umfasst das komplexe Zusammenspiel von Wahrnehmung und sozialer Interaktion innerhalb eines spezifischen Kontextes. Dies äußert sich insbesondere in der Art und Weise, wie die Pavillons auf den konkreten Ort, an dem sie situiert sind, Bezug nehmen, indem sie charakteristische Elemente aufgreifen, spiegeln und kommentieren.


Im Falle des „Star of David“ ist dies einerseits das Element des Wassers, das in das Spiel reflektierender Oberflächen integriert wird. Nicht nur befindet sich der Pavillon im Bereich eines ehemaligen Wassergrabens, auch ist der Landschaftsraum um Schloss Buchberg durch einen Fluss – den Kamp – strukturiert, dessen Verlauf den Schlosspark halbkreisförmig rahmt und der ein nahe gelegenes ökologisch effizientes Kleinkraftwerk speist. Darüber hinaus zeichnet den „Star of David“ aber auch eine Symbolik aus, die sowohl historische wie politische Implikationen hat und den Standort Österreich in den Blick nimmt. Betrachtet man den Pavillon aus erhöhter Perspektive, etwa von der zum Schloss führenden Brücke aus, so wird unmittelbar anschaulich, dass die Anordnung der beiden gleichseitigen Dreiecke auf die Ikonografie des jüdischen „Davidsterns“ verweist. DAN GRAHAM äußert sich dazu im Juni 1996 folgendermaßen: „Eight years ago, when I conceived the piece, being Jewish, I didn’t want to have an exhibition or do a large piece in Austria, thinking of Kurt Waldheim; and I was also thinking of all the Arnulf Rainer paintings of crosses. So I thought from a serious, and also from a humorous point of view, a Jewish star would be very good.“ DAN GRAHAMs Ausloten des Symbolgehalts geometrischer Formen und die dezidiert humorvolle Referenz auf die damals schwelende Waldheim-Affäre nehmen im Kontext der für Schloss Buchberg entwickelten Raumkonzepte eine besondere Stellung ein. So führt der 1988 konzipierte „Star of David“-Pavillon die in den frühen 1980er Jahren einsetzende Diskussion um die inhaltlichen Dimensionen konstruktiver und konzeptioneller Kunst weiter, wie sie beispielsweise die Werke von PETER WEIBEL oder JOHN HILLIARD in der Sammlung Bogner repräsentieren.


(Auszug aus dem Text von Manuela Ammer, in: Leidenschaftlich exakt. Sammlung Dieter und Gertraud Bogner im mumok, Wien/Köln 2012)


Eröffnung 1996 durch CHRIS DERCON. Eine erste Besichtigung des späteren Aufstellungsortes findet schon 1989 im Rahmen des Buchberger Sommers statt, an dem DAN GRAHAM, der damals Gastprofessor der Frankfurter Städelschule war, teilnahm. In der Sammlung Dieter und Gertraud Bogner im mumok befinden sich ein von GARY WOODLEY gefertigtes Modell im Maßstab 1:6 und eine Entwurfszeichnung eines Studierenden von DAN GRAHAM, beide aus dem Jahr 1989.


www.moma.org/artists

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